Die Neue Richtervereinigung (NRV)/ Bundesvorstand (NRV)/ Neue Richtervereinigung e.V. Bundesbüro / Greifswalder Str. 4 / 10405 Berlin
Sehr geehrter Herr Dr. Malte Engeler,
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Zusammenhang mit Ihrem unter dem Titel „Prof. Waldemar Gontarskis Behauptungen stimmen nicht“ erschienenem Text – Deutschsprachige Fassung der Presseerklärung vom 5.7.2022 – möchte ich Sie bitten, die beigefügte Gegenposition auf Ihrer Website zu veröffentlichen. Im Sinne eines kritischen und demokratischen Dialogs einer offenen Gesellschaft verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Prof. Waldemar Gontarski
Das deutsche Recht diszipliniert und bestraft Richter, die Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof richten wollen. Der Bundesvorstand der Neuen Richtervereinigung will den polnischen Professor, der Vorschriftswidrigkeiten des dortigen Rechts, die Richter betreffen, aufdecken will, knebeln.
Prof. Waldemar Gontarski: Die deutschen Richter wollen keine Aufdeckung der Möglichkeit der Verhängung gegen sie disziplinarischer und strafrechtlicher Sanktionen für das Richten von Vorlagen an den EuGH
In Deutschland kann ein Richter, wenn er an den EuGH eine Vorlage ohne Zustimmung seines Prozessvorgesetzten, d. h. der entsprechenden Kammer, richtet, im äußersten Fall zur disziplinarischen oder sogar strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Rede davon ist in der Vorlage, die von einem Richter aus Erfurt an den EuGH in der Rechtssache C-506/21 (https://curia.europa.eu/) gerichtet wurde, wo es zu lesen gibt (Pkt. 6):
„Eine Vorlage nach Art. 267 AEUV trotz Ablehnungsgesuch könnte disziplinar- oder strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Auch auf diesem Wege kann eine Vorlage verzögert oder vereitelt werden“. [https://openjur.de/u/2348610.html: „Im vorliegenden Fall wurde die 8. Zivilkammer am Landgericht Erfurt nicht konsultiert. Daher droht die Ablehnung des Einzelrichters wegen Besorgnis der Befangenheit, wie in etlichen weiteren ‘Dieselfällen’ – nach Ankündigung einer Vorlage nach Art. 267 AEUV – bereits seitens einer Partei beantragt. Angesichts dieser abschreckend wirkenden, sich auch im konkreten Fall auswirkenden Entwicklung in Deutschland wird der Gerichtshof um Klarstellung ersucht, dass das Unionsrecht einer Rechtspflicht zur vorherigen Befassung der Kammer entgegensteht und § 348 ZPO im Falle einer Vorlage nach Art. 267 AEUV unangewendet zu bleiben hat (s. auch LG Ravensburg, EuGH-Vorlage vom 31. März 2021 – 2 O 339/19 u. a. bzw. C-240/21, juris Rn. 126, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – C-492/17, ECLI:EU:C:2018:1019, Rn. 29 ff.; s. auch EuGH, Urteil vom 5. April 2016 – C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199, Rn. 31 ff.)”].
Es handelt sich um § 348 Abs. 3 Nr. 2 der deutschen Zivilprozessordnung, nach dem der Einzelrichter den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme in Zivilsachen vorlegt, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Wie der Richter aus Erfurt erklärt, bedeutet die Übernahme der Rechtssache durch die Kammer Verhinderung des Richtens der Vorlage an Luxemburg. Der Richter aus Erfurt schrieb wörtlich an EuGH:
„Die regelmäßige Übernahme durch die Kammer bedeutet in den allermeisten Fällen das ‚Aus‘ für die beabsichtigte Vorlage zum Europäischen Gerichtshof ” [s. zum Ganzen LG Ravensburg, EuGH-Vorlage vom 31. März 2021 – 2 O 339/19 u. a. bzw. C-240/21, juris Rn. 120 ff.]. (Pkt. 5 der erwähnten Vorlage)
Diese Feststellungen habe ich im Gespräch mit Polskie Radio 24 (PolskieRadio24.pl Polska, Prof. Gontarski dargestellt: wenn die Richter Żurek und Markiewicz deutsche Richter wären, würden sie für die Fragen an den EuGH zu Verbrechern, https://polskieradio24.pl/130/5925/artykul/2990383,prof-gontarski-gdyby-sedzia-zurek-i-markiewicz-byli-sedziami-niemieckimi-to-za-pytania-do-tsue-staliby-sie-przestepcami) und in der Zeitung „Rzeczpospolita“ (Prof. Waldemar Gontarski: Ich verstehe nicht die deutsche Logik, https://www.rp.pl/opinie-prawne/art36581431-prof-waldemar-gontarski-nie-rozumiem-logiki-niemieckie) vorgebracht.
In Antwort veröffentlichte der Bundesvorstand der deutschen Neuen Richtervereinigung eine Pressemitteilung mit dem Titel „Prof. Waldemar Gontarskis Behauptungen stimmen nicht”, in der man mir insbesondere fehlende Kompetenzen im Bereich deutscher Prozedur sowie Verbreitung falscher Informationen und wilde Falschbehauptungen vorwirft (https://www.iustitia.pl/79-informacje/4486-komunikat-prasowy-neue-richtervereinigung-nowego-zrzeszenia-sedziow-z-dnia-5-lipca-2022-r-w-sprawie-wypowiedzi-prof-waldemara-gontarskiego).
Als ich Bevollmächtigter der Republik Polen vor dem EuGH war, beantragte ich beim Vorsitzenden des EuGH, dass er in der Sache der Reform der polnischen Justiz irgendeine polnische Sache mit einer deutschen verbindet (in der Vergangenheit gab es Fälle der Verbindung von Rechtssachen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten). Jetzt wird zwar nicht der Gerichtshof, sondern ein polnischer Gericht Bezug auf die Möglichkeit der disziplinarischen oder strafrechtlichen Bestrafung eines deutschen Richters aufgrund Richtung einer Vorlage nehmen können. Ich werde eine Klage gegen die Neue Richtervereinigung wegen Verletzung allgemeiner Persönlichkeitsrechte einlegen.
Mein Text, der auf der Webseite der Zeitung „Rzeczpospolita“ veröffentlicht wurde, sowie Aussage für das Polskie Radio 24 waren Antwort auf die Art, wie sich der deutsche Botschafter über Themen zur polnischen Staatsform äußerte. Insgesamt wollte ich den Herr Botschafter darauf hinweisen, dass er sich deutsche Themen zur Staatsform näher anschaut. Wenn jedoch der Herr Botschafter Informationen über Ermächtigung seitens der Staatsform eines Richters in Deutschland von der Vereinigung dortiger Richter gewinnt, kann er nur falsche Angeben erhalten.
Postscriptum: „Ist § 348 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, soweit diese Regelung sich auch auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV bezieht, unvereinbar mit der Vorlagebefugnis der nationalen Gerichte gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV, und daher auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen nicht anzuwenden ?“ – Rechtssache C-240/21 Vorabentscheidungsersuchen (https://curia.europa.eu/) Eingangsdatum: 14. April 2021, Vorlegendes Gericht: Landgericht Ravensburg
(Deutschland).
___
Prof. Waldemar Gontarski, Anwalt, ehemaliger Bevollmächtigter der Republik Polen vor dem EuGH